Sprache und kommunikative Praktiken

Kurzbeschreibung

Kulturwissenschaftliche Sprachauffassungen gehen von normalsprachlicher Medialität als einer unhintergehbaren Voraussetzung für Interpretationen von Kulturen und verschiedenen Zugehörigkeiten, aber auch für eine Kultur selbst, aus. Diese kontextualistischen und reflexi­ven Ansätze beziehen sich auf methodologisch geschärfte Weiterentwicklungen der im 19. und 20. Jahrhundert beginnenden hermeneutischen Traditionen, aber auch auf ethno­methodologisch-ethnographische, postmoderne und anthropologische Theorien. Der Begriff ›Kommunikative Praktiken‹ soll die Interaktion von menschlichen und nicht-menschlichen Interaktanten und auch das gesamte Spektrum an Ausdrucksressourcen (Bild, Ton, Geste etc.) – sowie deren (multimodale) Kombinationen – umfassen. Diskutiert werden soll dabei insbesondere, wie kommunikative Praktiken genutzt werden, um zwischen gesellschaftli­chen Mikro- und Makro-Perspektiven zu vermitteln.

An einer Mitarbeit interessierte Forschende sind gebeten, sich über das Formular auf der Website für den Ersten Kongress der KWG in Lüneburg anzumelden; konkrete Arbeitsformate werden am ersten Kongress entwickelt.

Kontakt:
Prof. Dr. Wolf-Andreas Liebert, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, liebert(at)uni-koblenz.de

Impulsvorträge/Programm

10.00 -10.05
Prof. Dr. Wolf-Andreas Liebert (Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz):
»Begrüßung«

10.05-10.15 Uhr
Prof. Dr. Wolf-Andreas Liebert (Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz),
»Empathie als kommunikative Praktik«

10.15-10.25 Uhr
Prof. Dr. Helga Kotthoff (Universität Freiburg):
»Sekundäre Indexikalisierung sozialer Kategorien am Beispiel von Erzählpraktiken von Müttern in schulischen Sprechstunden«

10.25-10.35 Uhr
Nicolas Potysch, M.A. M.Ed. (Eberhard Karls Universität Tübingen, Graduiertenkolleg 1808
Ambiguität – Produktion und Rezeption):
»Kulturelle Narrative und kommunikative Praktiken«

10.35-11.30 Uhr
Diskussion


Konzeptpapier

(PDF)

Kulturen entstehen immer in Zeichensystemen. Das Zeichensystem Sprache ist jedoch so selbst­verständlich, dass unsere Alltagspraktiken, aber auch unsere professionalisierten Kulturana­lysen, die in ihr durchgeführt werden, diese Voraussetzung kaum thematisieren. Dabei stellt die datengeleitete Analyse des in kommunikative Praktiken eingebetteten Sprachgebrauchs einen erprobten Weg (neben anderen) dar, die dynamische und konfliktive Hervorbringung von Kultur im Alltag ihrer Mitglieder methodisch kontrolliert zu rekonstruieren. Im Blick auf das kommuni­kative Potenzial der hierbei verwendeten semiotischen Verfahren und deren funktionale Syste­matik – in gruppenbezogener wie in sprach- und kulturvergleichender Perspektive – fordert ein derartiger Gegenstandsbereich zugleich die vorherrschende Sprachtheorie heraus.

Während formale und logische Sprachtheorien nämlich dazu tendieren, sprachliche Systeme von der Laut- bis zur Textebene aus ihren kommunikativen Verwendungszusammenhängen weitgehend herauszulösen, und komplementär versuchen, der als Defizit wahrgenommenen Unschärfe alltäglichen Sprachgebrauchs durch die Einführung einer formalisierten Sprache bei­zukommen, gehen kulturwissenschaftliche Sprachauffassungen von normalsprachlicher Media­lität als einer unhintergehbaren Voraussetzung für Interpretationen von Kulturen und verschie­denen Zugehörigkeiten, aber auch für eine Kultur selbst, aus. Dabei beziehen sich diese kontex­tualistischen und reflexiven Ansätze auf methodologisch geschärfte Weiterentwick­lungen der im 19. und 20. Jahrhundert beginnenden hermeneutischen Traditionen, auf ethnomethodo­lo­gisch-ethnographische, auf postmoderne und auf anthropologische Theorien.

Für die empirische Forschung stellen die Manifestationen von kommunikativen Praktiken etwa als Texte, Diskurse und Gespräche den bevorzugten Zugang dar, insbesondere auf der Basis ihrer Medialität und Materialität. Dabei wird ein weiter Begriff von kommunikativen Praktiken zu Grunde gelegt, der die Interaktion von menschlichen und nicht-menschlichen Interaktanten und auch das gesamte Spektrum an Ausdrucksressourcen (Bild, Ton, Geste etc.) einschließt. Kommunikative Praktiken sind historisch-diskursiv kontextualisiert und können in allen Berei­chen Gattungen oder andere Verfestigungen ausbilden. Als Aggregate projizieren sie kulturspe­zifische Merkmale in ihrem jeweiligen Verhältnis von Harmonie und Differenz. Sie sind somit gleichzeitig Zeugnisse und Triebkräfte der Kulturbildung bzw. -entwicklung: Ausgehend von dieser Dialektik stehen Variation und Wandel, Kohärenz, Konflikt und Kontingenz im Zentrum des Themenspektrums der Sektion.

In der Sektion sollen in den nächsten Jahren in Form von Tagungen und Publikationen grundle­gende Fragen über den Zusammenhang von Sprache, kommunikativen Praktiken und Kultur, aber auch von Sprachtheorie, Semiotik und Kulturtheorie diskutiert werden. Dazu gehört die Thematisierung von interdisziplinären kulturwissenschaftlichen Theorien der Sprache, Mediali­tät, Materialität und Kommunikation, der Übersetzung, (Sprach-)Reflexivität, (Sprach-)Kritik, kulturspezifischer Multimodalität, Narrative der Kultur(en) sowie die Diskussion einer Anthro­pologie von Sprache und Mehrsprachigkeiten.

An einer Mitarbeit interessierte Forschende sind gebeten, sich über das Formular auf der Website für den Ersten Kongress der KWG in Lüneburg anzumelden; konkrete Arbeitsformate werden am ersten Kongress entwickelt.

Kontakt:
Prof. Dr. Wolf-Andreas Liebert, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, liebert(at)uni-koblenz.de